DGB-Ortsverband befürchtet Massenarmut bei Durchsetzung des Hartz-Konzeptes

Vor Mitgliedern des DGB-Ortsverbandes Rheine referierte Reinhold Strunck-Erpenstein, Leiter des Arbeitsamtes Rheine, im Hotel Johanning über die einzelnen Module des "Hartz-Konzeptes" und den Stand ihrer Umsetzung im Gesetzgebungsverfahren und vor Ort.

Arbeitsamtsdirektor Reinhold Strunck-Erpenstein (rechts) informierte die Gewerkschaftsmitglieder über den aktuellen Stand der Umsetzung des Hartz-Konzeptes. Links DGB-Regionalsekretär Rolf Hannemann.

 

 

 

 

Zunächst gab der Referent einen Überblick über die dreizehn im Konzept "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" vorgesehenen Maßnahmenbündel. Der Stand der Umsetzung im Gesetzgebungsverfahren sei sehr unterschiedlich. Allgemein und etwas vergröbernd könne festgestellt werden, dass diejenigen Maßnahmen, deren Auswirkungen als eher arbeitnehmerfreundlich eingeschätzt werden könnten, bisher kaum berücksichtigt worden seien.

Die Realisierung bereits beschlossener Gesetzesänderungen vollziehe sich in der Praxis nicht immer problemlos; so sollen seit dem 1. Juli des Jahres Beschäftigte eine erfolgte Kündigung sofort dem Arbeitsamt melden, damit möglichst bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kündigung eine Neuvermittlung wirksam werden könne. Dieses Konzept der Job-to-Job-Vermittlung laufe nur schleppend an, weil nicht alle Beschäftigten - trotz der umfangeichen Informationsmaßnahmen der Arbeitsämter - ausreichend über die neuen Vorschriften informiert seien.

Auch der Aufbau der Personal-Service-Agenturen, durch die möglichst 1 % der Arbeitslosen in das Beschäftigungssystem eingegliedert werden sollen, gestalte sich gerade für ältere Personen als recht schwierig. Das "Hartz-Konzept" gehe grundsätzlich von einem aufnahmefähigen Arbeitsmarkt aus, der im Augenblick aber nicht gegeben sei.

Positiver als erwartet stellen sich die Zahlen bei den in Anspruch genommenen Mitteln für den Übergang von Arbeitslosen in die Selbstständigkeit dar. Man habe für den Bereich des Arbeitsamtes Rheine für das Jahr 2003 mit etwa 100 Anträgen gerechnet. Die aktuelle Zahl der Förderung der "Ich-AGs" liege bei etwa 300. Man müsse allerdings genau beobachten, ob die neu gegründeten Unternehmen sich längerfristig auf dem Markt behaupten könnten.

Auf eine besonders lebhafte Resonanz stieß Strunck-Erpenstein, als er auf die aktuelle Diskussion hinsichtlich der geplanten Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ("Hartz IV") einging; Arbeitslose, die früher ein höheres Einkommen bezogen hätten, würden durch die vorgesehene Absenkung der Sozialleistungen auf das Niveau der Sozialhilfe deutlich spürbare Einkommensminderungen erfahren.

Gerade dies wurde von den anwesenden Gewerkschaftsmitgliedern besonders heftig kritisiert: Wer sein Leben lang Beiträge in die Arbeitslosenversicherung gezahlt habe und nun - meist ohne eigenes Verschulden - arbeitslos werde, dem drohe nun der Abstieg in die Armut.

In der Versammlung bestand Einigkeit darüber, dass Veränderungen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik notwendig seien. Was bisher in diesem Bereich umgesetzt worden sei, laufe allerdings einseitig auf eine Umverteilung von unten nach oben hinaus.

Dies sei in einem Sozialstaat nicht akzeptierbar. Wenn die Erschließung neuer Finanzquellen für die Finanzierung von Sozialausgaben erforderlich sei, solle in erster Linie an eine Veränderung des bestehenden Steuersystems gedacht werden, zumindest aber an die Umsetzung der bestehenden Steuergesetze durch die verstärkte Kontrolle von Kapitalerträgen.

Rolf Hannemann, der als Sekretär der DGB-Region Münsterland die Veranstaltung geleitet hatte, wies abschließend selbstkritisch darauf hin, dass die Gewerkschaften gegen die Umsetzung des "Hartz-Konzeptes" bisher keinen stärkeren Widerstand organisiert hätten: "Die Verantwortlichkeit für die Arbeitsmarktpolitik und ihre Umsetzung vor Ort liegt nicht beim Arbeitsamt und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Gefordert sind letzten Endes die Ansprechpartner in der Politik."

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