Können Job Center die Zahl der Arbeitslosen verringern?
Der ver.di-Bezirk Rheine im Gespräch mit Arbeitsamt, Kreisverwaltung und GAB


Kann durch eine neue Organisationsform die Zahl der Arbeitslosen verringert werden? Diese Frage stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung, zu der der ver.di-Bezirk Rheine seine Mitglieder und Experten aus der Arbeits- und Sozialverwaltung eingeladen hatte.

Bezirksgeschäftsführer Karl-Heinz Brauer erläuterte bei der Begrüßung der zahlreich erschienen Gäste im Rheiner Transferzentrum für angepasste Technologien (TaT), dass mit der neuen Veranstaltungsform ein offenes Gespräch mit allen Interessierten gesucht werden soll. Die Aktualität des Themas werde schon dadurch deutlich, dass bereits am 17.10.2002 die erste Lesung des Gesetzentwurfes, in dem die Einrichtung von Job Centern vorgesehen sei, im Bundestag anstehe.

Die örtlichen Akteure aus der Arbeits- und Sozialverwaltung waren sich bei der ver.di-Veranstaltung darüber einig, dass die Bildung von Job Centern der richtige Weg ist (v.l.n.r.): Arbeitsamtsdirektor Reinhold Strunk-Erpenstein, Moderator Martin Weide (Radio RST), Kreisdirektor Dr. Wolfgang Ballke und GAB-Geschäftsführer Karl-Heinz Hagedorn.

 


Unter der souveränen Moderation von Martin Weide (Radio RST) stellten die eingeladenen Experten das Modell des Job Center aus ihrer jeweiligen Sicht dar. Reinhold Strunck-Erpenstein, Direktor des Arbeitsamtes Rheine, verdeutlichte zunächst, was unter Job Centern überhaupt zu verstehen ist: lokale Anlaufstellen, in denen alle Dienstleistungen für Arbeitslose gebündelt werden sollen; hierzu gehören hauptsächlich die Leistungen des Arbeitsamtes und des Sozialamtes, zugleich solle das Job Center - falls im Einzelfall erforderlich - Drehscheibe für die Verbindung zum Jugendamt, zum Wohnungsamt, zur Schuldnerberatung und gegebenenfalls weiteren Institutionen sein.

Kreisdirektor Dr. Wolfgang Ballke ging auf die personellen Auswirkungen der geplanten Reform ein: Wenn ein Schlüssel realisiert werden solle, der für jeweils 75 Arbeitslose eine Betreuungsperson vorsieht, bedeute dies einen Mehrbedarf von etwa 12000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, was angesichts der aktuellen Situation der öffentlichen Haushalte illusorisch sei; deshalb sei es wichtig, die Kompetenzen der Kommunen bei der Einrichtung von Job Centern zu nutzen.

Konkret wies Karl-Heinz Hagedorn, Geschäftsführer der mehrheitlich von Kreis Steinfurt getragenen Gesellschaft für Arbeits- und Bildungsförderung (BAG), darauf hin, dass seine Gesellschaft in den letzten Jahren umfangreiche Erfahrungen im Fall-Management bei Langzeitarbeitslosen und schwer vermittelbaren Personen gesammelt habe, die in die künftige Arbeit von Job Centern einfließen könnten.

Allgemein bedauert wurde von den Teilnehmern der Runde die Tatsache, dass ein Anfang des Jahres als Pilotprojekt in Rheine geplantes Job Center gescheitert sei, weil die Bundesanstalt für Arbeit hierfür die Zustimmung verweigert habe. Wenn jetzt im Rahmen der Umsetzung der Vorschläge der Hartz-Kommission die Einführung von Job Centern auf gesetzlicher Basis erfolgen solle, dann liege - so Dr. Ballke - die Verantwortung für das Gelingen gemeinsam bei Regierungskoalition und Opposition, weil auch der Bundesrat dem Gesetz zustimmen muss.

Hinsichtlich der Frage, ob Job Center nur die Effizienz der Arbeitslosenverwaltung erhöhen, oder auch die Zahl der Arbeitslosen senken könne, waren die Experten sich einig: Strunck-Erpenstein verwies auf Erfahrungen in Großbritannien, wo neue Formen der Arbeitslosenbetreuung zu einer Verringerung der Arbeitslosenzahl um etwa 10 bis 15 Prozent führten. Hagedorn wies aber auch darauf hin, dass die allgemeine Wirtschaftspolitik und besonders die Steuergesetzgebung gefordert seien, bessere Rahmenbedingungen für den Arbeitsmarkt zu schaffen.

Mit großem Interesse verfolgte das zahlreich erschienene Publikum - darunter viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Arbeitsamtes - die Ausführungen der örtlichen Experten.

In der anschließenden Diskussion wurde auf Probleme hingewiesen, die sich möglicherweise aus der Einrichtung von Job Centern ergeben könnten.

 

Aus dem Publikum wurde hinsichtlich der Job Center auch auf mögliche neue Probleme hingewiesen: Es sei zu befürchten, dass es zu einem Qualitätsverlust komme, wenn das Job Center Teilaufgaben öffentlich ausschreibe. Wenn das Arbeitsamt weiterhin für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zuständig sei und das Job Center zur die Langzeitarbeitslosen betreue, habe die Arbeitgeberseite künftig zwei verschiedene Ansprechpartner, was zu Reibungsverlusten führen könne. Zudem seien lokale Job Center sicher nicht so gut wie die Arbeitsämter in der Lage, Arbeitsplätze auch überregional zu vermitteln.

Nach lebhafter Diskussion bedankte Brauer sich für die gelungene Veranstaltung bei allen Beteiligten, die anschließend die Möglichkeit nutzen, sich im Bistro des TaT in gemütlicher Atmosphäre weiter auszutauschen.

Zum Anfang Zurück