Gewerkschaftliche Solidarität kennt keinen Tellerrand
DGB-Maifeiern in Rheine im 21. Jahrhundert

Wenn dieses Jahr am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, in Rheine vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) keine Maifeier der üblichen Art durchgeführt wird, sollte dies als eine aktuelle Variante von Solidarität verstanden werden, keinesfalls als eine Absage an dieses Grundprinzip der organisierten Arbeiterbewegung.

Der DGB-Bundesvorstand führt in seinem aktuellen Maiaufruf 2021 hierzu aus: „Wenn wir in den langen Monaten der Pandemie eines gelernt haben, dann das:  Niemand bewältigt diese Krise allein. Nur als Wir, nur wenn wir gemeinsam handeln, finden wir den Weg in eine gute Zukunft.

Blickt man zurück auf die Maifeiern, die der DGB in diesem Jahrhundert in Rheine durchführte, finden sich viele Beispiele dafür, dass die Gewerkschaften auch bisher schon über ihren eigenen Tellerrand hinausgeblickt und Solidarität in einem weiteren Sinne eingefordert haben.

2002: Globalisierung gerecht gestalten


DGB-Maiplakat 2002

Im Jahre 2002 forderte der DGB „Globalisierung gerecht gestalten“ und hatte dazu Peter Schönhöffer, Sprecher von ATTAC Münster, eingeladen. Der Gast machte deutlich, dass die in ATTAC zusammengeschlossenen Globalisierungsgegner und die Gewerkschaften wesentliche Gemeinsamkeiten hinsichtlich ihrer Einschätzungen und Zielsetzungen aufwiesen: die gemeinsame Kritik am Vorrang neoliberaler Wirtschaftspolitik, der damit verbundenen Standortlogik und der These, allein das freie Spiel der Wirtschaftskräfte diene dem Wohl aller. Gefordert sei dagegen eine Globalisierung von Gerechtigkeit und Demokratie.

2004: Maifeier im Zeichen der EU-Osterweiterung


Der DGB-Chor SIGNALE trug ein eigenes Europa-Lied vor.

Ganz im Zeichen der EU-Osterweiterung stand die Maifeier 2004. Der DGB-Chor SIGNALE, der die Veranstaltung durch seine kabarettistischen und musikalischen Beiträge mitgestaltete, hatte aus aktuellen Anlass ein eigenes Europa-Lied gedichtet, das vor den Kolleginnen und Kollegen seine Uraufführung erlebte.
Als Hauptredner ging auch Wolfgang Nacke, IG Metall-Bezirkssekretär NRW, auf die Osterweiterung der Europäischen Union ein. Er wies darauf hin, dass viele Bundesbürger die Erweiterung der EU eher mit angstvollen Gefühlen sähen. Es gebe jedoch keinen naturgesetzlichen Zusammenhang zwischen dem Beitritt von 10 neuen Staaten und dem Abbau sozialer Standards in der Bundesrepublik.

2006: Was sagt uns die Soziallehre der Kirche?

Industrie- und Sozialpfarrer Dr. Hans-Udo Schneider

Industrie- und Sozialpfarrer Dr. Hans-Udo Schneider führte 2006 aus, dass der DGB sich mit seinem diesjährigen Maimotto „Deine Würde ist unser Maß“ in voller Übereinstimmung mit der Soziallehre der evangelischen und der katholischen Kirche befinde.
Er wies darauf hin, dass die Behauptung, zur derzeitigen von der Bundestagsmehrheit betriebenen Politik gebe es keine Alternativen, falsch sei. So praktiziere beispielsweise die Schweiz hinsichtlich der Altersrentenversicherung eine Art von Bürgerversicherung, wie sie auch den Vorstellungen der Gewerkschaften entspreche. Auch auf anderen Politikfeldern lägen alternative Konzepte von gesellschaftlichen Gruppen und Wissenschaftlern vor.

2011: Russische Folklore und „Brüder zur Sonne zur Freiheit“


Der Chor Kalinka verband russische Folklore mit traditionellen Arbeiterliedern.

Besonders bunt war die Bühne des Stadtpark-Pavillons im Jahr 2011. Der Chor „Kalinka“ bewies, dass russische Folklore und traditionelle Arbeiterlieder durchaus miteinander harmonieren. Vielleicht ist es ja kein Zufall, dass der Text der Hymne „Brüder zur Sonne zur Freiheit“ 1895 von Leonid Petrowitsch Radin in einem Moskauer Gefängnis niedergeschrieben wurde. 

2019: Zusammen mit den niederländischen Gewerkschaften


Mit Hans Hupkes war erstmals ein niederländischer Gewerkschaftsvertreter zu Gast in Rheine.

Im Jahr 2019 war Hans Hupkes, Regionalsekretär der FNV Federatie Nederlandse Vakbeweging (FNV), zu Gast in Rheine. "In Deutschland und in den Niederlanden wird der 1. Mai sehr unterschiedlich begangen", verwies er darauf, dass seine Landsleute keinen Feiertag haben. "Dennoch gehört der 1. Mai uns", meinte er und verwies auf Errungenschaften der gewerkschaftlichen Bewegung im Nachbarland.

2021: Solidarität ist Zukunft


DGB-Maiplakat 2021

Coronabedingt wird auch in diesem Jahr keine öffentliche Maifeier in Rheine stattfinden. Der DGB und seine Gewerkschaften stellen ihre Ziele in einem Livestream vor, der ab 14 Uhr zeitgleich auf der DGB-Internetseite, Facebook und Youtube übertragen wird. Unter dem Motto „Solidarität ist Zukunft“ werden Gewerkschaftskolleginnen und –kollegen verdeutlichen, was Solidarität für sie in Zeiten der Corona-Krise bedeutet. Hierzu heißt es im Maiaufruf des DGB-Bundesvorstandes: Solidarität ist kein Luxus, den wir uns in guten Momenten mal kurz leisten sollten. Sie ist das Mittel gegen Hetze und Spaltung, sie verhindert die Ausgrenzung von Menschen und sie nimmt Menschen die Angst, zurückgelassen zu werden.“

Lothar Kurz


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