„Soziale Magersucht in einem reichen Land“
DGB, Vdk, AWO und verdi informierten über die aktuelle sozialen Schieflage in Deutschland

„Soziale Magersucht in einem reichen Land.“ Unter diesem Titel stand eine Informations- und Diskussionsveranstaltung in der Stadthalle, zu der der DGB-Kreisverband Steinfurt, der VdK-Ortsverband Rheine, der AWO-Ortsverband Rheine und der verdi-Ortsverband Rheine eingeladen hatten.



Veranstalter, Gäste und Referenten der Informations- und Diskussionsveranstaltung „Soziale Magersucht in einem reichen Land“ (v.l.): Reinhold Hemker (VdK), Beate Tollkühn (verdi), Heinz-Jürgen Wisselmann (VdK), Lothar Kurz (DGB), Herbert Bühner (DGB) und Horst Vöge (VdK)

Bei seiner Begrüßung machte Lothar Kurz, stellvertretender Vorsitzender des DGB-Kreisverbandes, an einem aktuellen Zahlenbeispiel deutlich, worum es dabei gehe. Die Stadtwerke Rheine hätten soeben angekündigt, den Arbeitspreis für eine Kilowattstunde Erdgas von derzeit 3,70 Cent im kommenden Monat auf 23,63 Cent zu erhöhen, was fast eine Versiebenfachung bedeute. Er fragte, ob dies mit dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes zu vereinbaren sei.

In einer umfangreichen Präsentation trug Herbert Bühner (DGB-Ortsverband Rheine) dann zunächst zentrale Kennzahlen vor, die die Vermögens- und Einkommensverteilung in der Bundesrepublik verdeutlichten. Hierbei sei festzustellen, so Bühner, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich in den letzten Jahren weiter geöffnet habe. Bemerkenswert sei in diesem Zusammenhang vor allem die Absenkung des Rentenniveaus, die Frauen im Durchschnitt stärker treffe als Männer.

Frage man nach den Ursachen dieser Entwicklung, müssten insbesondere Veränderungen des Steuersystems in der Bundesrepublik betrachtet werden. Der Spitzensteuersatz auf Einkommen und die Körperschaftssteuer seien in den letzten Jahrzehnten stark gesenkt worden, der Anteil der Lohnsteuer am gesamten Steuereinkommen nehme ständig zu.

Auch die Besteuerung von Vermögen sei langfristig gesunken. In diesem Zusammenhang zitierte Bühner den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher: „Fakt ist, dass kaum ein Industrieland Vermögen so gering und Einkommen auf Arbeit so stark besteuert wie Deutschland“.

In einem Interview, das Kurz mit Hörst Vöge, dem Landesvorsitzenden des Sozialverbandes VdK führte, stellte dieser die Ziele und Tätigkeitsschwerpunkte seiner Organisation dar. Der Armutsbericht 2022 zeige, wie sich die finanzielle Lage immer größerer Bevölkerungsgruppen verschlechtere. Dabei nehme das Bundesland Nordrhein-Westfalen einen unrühmlichen Spitzenplatz ein. Ihm seien Fälle bekannt, in denen Personen gegen Monatsende nicht mehr in der Lage seien, die nötigen Medikamente zu bezahlen.

Wichtig sei es in nächster Zeit, durch Betreuung und Beratung allen Betroffenen zu Angst vor der Zukunft zu nehmen. Für die Zusammenarbeit zwischen VdK und den Gewerkschaften sehe er viele Anknüpfungspunkte. So müsse etwa das Rentensystem auf eine neue, tragfähige Grundlage gestellt werden.

In der abschließenden Diskussionsrunde regten einige Besucherinnen und Besucher an, die Zusammenarbeit von Gewerkschaften, Sozialverbänden und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen in Rheine zu intensivieren, um gemeinsam die anstehenden Krisen zu bewältigen. Die Veranstalter konnten dem nur zustimmen.